Leistungssport
400m-Schweizermeisterin und Olympiateilnehmerin. Mit Sarah King kam die LVL in diesem Sommer wie die Jungfrau zum Kind. Wie war das möglich?  

Sarah, Du bist Anfang Juni für uns alle überraschend als LVL-Athletin plötzlich auf der Startliste am Pfingstmeeting in Zofingen aufgetaucht. Wie kam es dazu?

Nachdem für mich die College-Rennen zu Ende gingen, empfahl mir mein amerikanischer Trainer für das Schweizer Team zu rennen, da ich Doppelbürgerin bin. So habe ich 2019 mit Flavio Zberg Kontakt aufgenommen, um herauszufinden, was die Bedingungen für das Schweizer Team sind. Er sagte mir, die Schweizer Meisterschaften seien das wichtigste Rennen um sich für das Schweizer Team zu qualifizieren. So habe ich meinen Aufenthalt mit diesem Datum geplant.

Was waren Deine Bestleistungen vorher in den USA und welche Ziele hast Du Dir in der Schweiz gesteckt?

In den USA bin ich nicht so schnell wie in der Schweiz gelaufen. Ich war im letzten Collegejahr 2018-19 amerikanische Meisterin DIII, Halle und draussen über 400 m. In 2019 bin ich 54.27 gelaufen, aber nie 52 oder 53 vor der Schweizer Meisterschaft.

Weshalb hast Du gerade die LVL gewählt? Welche Beziehungen hast Du in unserer Region?

Meine Mutter hat mir geholfen eine Unterkunft zu finden und sie hat herausgefunden, dass ihre Schwester, meine Tante, und ihr Sohn und Familie in Madiswil wohnen und arbeiten. Da die Schweizer Meisterschaft in Langenthal stattfand war die Wohngelegenheit in Madiswil ideal. Ich informierte mich auf lvl.ch und kontaktierte Andrea und Marc Hammel als Trainer. So habe ich mit Marc gemailt und er hat mir zu einer Lizenz verholfen.

Wie bist Du aufgenommen worden? Was ist bei uns anders als in den USA?

In der LVL waren alle sehr nett und hilfreich und ich habe mich schnell wohl und akzeptiert gefühlt. Es war ganz anders mit einer kleinen Gruppe von Spitzensportlern zu trainieren, da ich im College mit dem ganzen Leichtathletikteam trainierte. Auch die Kultur scheint ganz anders zu sein: In der Schweiz ist es wichtig höflich und nett zu sein, in den USA ist man direkter im Umgang miteinander.

Wie war Dein Alltag in den USA? Wie hast Du trainiert? Bist Du auch in einem Verein? Hast Du einen persönlichen Trainer?  

Die meisten Athleten rennen für ihre Schule. Wenn jemand ausserhalb der Schule Wettkämpfe bestreitet, ist es durch einen Club oder «unabhängig», was ich gemacht habe.

Wegen Covid war es schwierig, als Unabhängige an Wettkämpfen teilnehmen zu können. Da ich aber auch noch Hilfstrainerin am George Fox College bin, durfte ich an Wettkämpfen des Teams teilnehmen.

Mein Trainer vom George Fox College ist auch mein persönlicher Trainer und betreut mich weiterhin seit ich mit dem College fertig bin.

Wie bist Du zur Leichtathletik gekommen?

Ich hatte als Kind viel Energie und bin immer gern draussen herumgerannt. Ich habe aber erst in der High School mit 14 mit Sport angefangen. Ich habe Leichtathletik gewählt, da viele meiner Freunde dabei waren. Am Anfang gefiel es mir aber nicht besonders. Erst als ich für das 4x400m Team nominiert wurde und am Oregon Staats Meet teilnehmen durfte, begann ich den Sport zu lieben.

Hast Du ein spezielles Ritual vor, während oder nach dem Wettkampf?

Nein! Oft habe ich zuwenig Zeit und finde es ist besser, wenn ich mich direkt auf das Rennen konzentriere. Wenn ich nicht fähig wäre, mein Einlaufen jeweils an die Umstände anzupassen, wäre ich gestresst. Wenn ich mich voll auf das Rennen konzentriere, bin ich mental besser vorbereitet als mit einem spezifischen Ritual.  

Was sind Deine wichtigsten langfristigen Ziele?

Mein grösstes langfristiges Ziel heisst Paris 2024. Jetzt, wo ich erste Olympia-Erfahrung sammeln durfte, möchte ich wirklich auch mit der 4x400m-Staffel laufen. Ein kurzfristigeres Ziel sind die Weltmeisterschaften in meinem Heimatstaat Oregon im Juli 2022, wo ich ebenfalls hoffe dabei zu sein mit der Staffel.

Wieviel Zeit wendest Du pro Woche für die Leichtathletik auf?

Das variert stark über die Jahreszeit aber normalerweise sind es 15-25 Stunden pro Woche für Training und Wettkämpfe. Allerdings dreht sich fast alles in meinem Leben um die Leichtathletik. Wenn ich heimkomme achte ich auf gute, sportgerechte Ernährung und Erholung, vor allem durch genug Schlaf.

Was war Dein prägendstes Erlebnis in Deiner bisherigen Karriere?

Ich habe an mehreren National-Meisterschaften in den USA teilgenommen und nun einer in der Schweiz, aber nichts kann die Teilnahme an der Olympiade in Tokyo übertreffen. Auch wenn ich nicht eingesetzt wurde, war es eine unglaublich faszinerende Erfahrung mitten unter so vielen Weltklasse AthletInnen. Klar war das mein Ziel, als ich in die Schweiz kam. Trotzdem schien es mir fast unmöglich und ich bin sehr dankbar, dass es geklappt hat und hoffe, das nächste Mal kann ich mitlaufen.  

Was läuft bei Dir neben dem Sport?

Als Halbprofi ist es schwierig Zeit für Anderes neben der Leichtathletik zu finden. Praktisch alles in meinem Leben dreht sich um den Sport. Ich arbeite so, dass das Training Platz hat und optimiere alles drumherum um möglichst mental und körperlich fit zu trainieren. Normalerweise bleibt am Wochenende etwas Zeit für soziale Kontakte und mit Freunden etwas zu unternehmen. Auch Ende Saison habe ich jeweils ein paar Wochen um meinem Körper Ruhe und Regeneration vom Training zu gönnen.

Und zum Schluss: Wie geht es bei Dir nun weiter? Sportlich und beruflich? Wann sehen wir Dich wieder?

Ich hatte zwei sehr angenehme Ferien-Wochen in der Schweiz im September und bin nun zurück im Training in den USA. Meine Firma ist froh, mich wieder in der gleichen Zeitzone zu haben, das erleichtert die Zusammenarbeit.

Ich plane die Rückkehr in die Schweiz Ende März und hoffe in zwei Trainingslagern der 4x400m-Staffel in der Türkei im April und im Mai mitzumachen.

Danke für das Interview Sarah. Wir wünschen Dir, dass Deine Pläne aufgehen und freuen uns auf Deine Rückkehr. (Interview 27.10.2021, sam)