Leistungssport

Im Frühjahr hast du mit einer sensationellen Marathon-Bestzeit nur knapp Olympia verpasst, aber dich bereits für die EM 2022 qualifiziert und im Herbst bist du Halbmarathon-Schweizer-Meister geworden.

Herzliche Gratulation Ädu, Du bist nach langwieriger Verletzungsgeschichte noch stärker zurück. Wie geht es weiter?

Danke! Die Vorbereitung der Europameisterschaften in München geniesst oberste Priorität. Auf dem Weg zum grossen Ziel möchte ich im März oder April eine neue Halbmarathon-Bestleistung laufen. Durch den Winter versuche ich nun eine gute Basis zu legen, auf welcher ich dann von Mai bis August mit mehreren Höhentrainingslagern aufbauen kann.

Was sagst Du zu Deiner Saison 2021?

In diesem Jahr erlebte ich auf dem Wettkampfplatz einige Auf und Abs. Die 10'000 -Meter-Schweizermeisterschaften auf der Bahn liefen beispielsweise gar nicht nach meiner Vorstellung und die Heim-SM musste ich sogar wegen einer gereizten Achillessehne auslassen. Zum Saisonschluss lief ich den Berlin Marathon, wo ich aufgrund eines Infekts nicht mein Leistungsmaximum abrufen konnte.
Dennoch bin ich grundsätzlich mit dem Jahr 2021 zufrieden, sehr sogar! In Belp konnte ich nämlich meine persönliche Bestzeit im Marathon endlich wieder verbessern. Mit einer Zeit von 2:12:34 Stunden lief ich einen neuen LVL-Rekord und setzte mich auf der Schweizer-Allzeitbestenliste auf den 5. Rang. Auch über 10km auf der Strasse konnte ich eine PB realisieren und mit einer Zeit von 29:20 Minuten den LVL-Rekord von Max Studer um 2 Sekunden verbessern.

Wie viele Schweizer Meister Titel hast Du bei den Aktiven bereits gewonnen?

Fünf. 2014 und 2021 im Halbmarathon, 2015 und 2016 über 10’000m auf der Bahn und 2017 über 10km auf der Strasse.

Welches sind Deine nächsten Ziele und Meilensteine?

Den Halbmarathon möchte ich anfangs Frühling unter dem 3-Minutenschnitt laufen können. Das würde eine Zeit von weniger als 1:03:17 Stunden ergeben. Um das zu erreichen, muss ich am Tag X in Topform sein und gute äussere Bedingungen vorfinden.

Welchen Höhepunkt peilst Du in der Saison 2022 an?

Mit dem Marathon-Team strebe ich in München eine Medaille an und möchte mit einem Zählergebnis massgebend zum Teamerfolg beitragen. Gerne rufe ich bereits heute alle Vereinsmitglieder auf, sich den 15. August zu reservieren, um uns vor Ort zu unterstützen.

Wie bereitest Du Dich darauf vor?

Wir planen mit dem Nationalkader im Juli ein vierwöchiges Vorbereitungstrainingslager in St. Moritz. Bereits im Mai werde ich mit der Marathonvorbereitung starten und einen ersten Höhentrainingsblock absolvieren. Mit dieser Methodik habe ich gute Erfahrungen gesammelt. Im Speziellen werde ich den Fokus auf die Hitzeakklimatisation legen, sodass ich bei sommerlichen Temperaturen gegenüber meiner Konkurrenz einen Vorteil haben könnte.

Welcher Deiner bisherigen Erfolge hat Dich am meisten gefreut?  

Das schönste Erlebnis meiner Karriere war bis jetzt die Team-Goldmedaille an den Europameisterschaften 2016 in Amsterdam. Wir waren auf Melderang 7 aller Nationen und konnten angeführt von Tadesse Abraham mit einer bestechenden Teamleistung das Unmögliche möglich machen. Die Erinnerungen daran führen gerade wieder zu Gänsehaut.

Wie bist Du zur Leichtathletik bzw. zum Marathon gekommen?

Durch meine besten Kollegen kam ich erstmals in den Genuss eines LVL-Trainings. Als wir 2004 an den Staffel-Schweizermeisterschaften auf Anhieb die Bronzemedaille über 3x1000m in der Kategorie U16 gewannen, wollte ich immer häufiger trainieren. Mein Trainingsfleiss stellte sich als eine grosse Stärke heraus. Später konnte ich verletzungsfrei mehr Trainingskilometer abspulen, als es die meisten meiner gleichaltrigen Kollegen konnten. So entwickelte ich mich zum Langstreckenläufer.

2012 musste ich mich der Frage stellen, ob ich im Jahr darauf die EM-Limite über 10km oder im Marathon anvisieren möchte. Ich erachtete eine Teilnahme an der Heim-EM in Zürich im Marathon als wahrscheinlicher und wagte dann 2013 den Schritt zur Wettkampfdistanz von 42.195 Kilometer. Mit einer Zeit von 2:18:53 Stunden unterbot ich die EM-Limite deutlich und sicherte mir einen Platz im Team.

Hast Du ein spezielles Ritual vor, während oder nach dem Wettkampf?

Ja. Ich trage an meinem rechten Handgelenk zwei Steinarmbänder. Eines davon gebe ich vor dem Start immer meiner Mutter. Das soll mir Glück bringen.

Was sind Deine wichtigsten langfristigen Ziele?

Seit jeher träume ich von einer Teilnahme an den Olympischen Spielen. 2016 verpasste ich die Limite von 2:14:00 für Rio de Janeiro um gut eine Minute. Zwischenzeitlich wurde die Limite für Tokio 2021 auf 2:11:30 gesenkt. In Belp verpasste ich somit den geforderten Wert wieder um eine Minute. Wenn die Limite für die nächsten Oympischen Spiele in Paris im Jahr 2024 nicht weiter verschärft wird, kann ich mir meinen Traum hoffentlich erfüllen.

Wieviel Zeit wendest Du pro Woche für Laufen und andere Trainings auf?

In der Regel bin ich zwischen 15 und 20 Stunden in der Woche am Trainieren.

Du bist selbst bereits in der Trainerausbildung. Was empfiehlst Du unserem Nachwuchs: Wie wird man erfolgreich im Aktiv-Alter?

Der kurzfristige Erfolg ist weniger wichtig als die Entwicklung einer effizienten Technik, der Steigerung der Trainingshäufigkeit und der Abschluss einer soliden Grundausbildung. Abgesehen davon versuchen viele Nachwuchsathlet*innen während einer ganzen Saison in Topform zu sein. Das ist schlichtweg unmöglich. Legt darum mehr Wert auf die Periodisierung und die wichtigen Trainingsphasen, sodass ihr bei den entscheidenden Wettkämpfen die Nase vorne habt.

Was war Dein prägendstes Erlebnis in Deiner bisherigen Karriere?

Durch den Sport habe ich gelernt zu verlieren und zu gewinnen. Dabei kann ich sagen, dass der Erfolg nicht immer nur vom eigenen Einsatz und von der Opferbereitschaft abhängt. Jedoch setzt er es voraus.

Was läuft bei Dir neben dem Sport?

Seit drei Jahren bin ich Profiläufer. Leider kann ich aber nur durch viel Eigeninitiative vom Sport leben. Ich engagiere mich für meine Sponsoren, halte Referate und führe Workshops mit Firmen durch. Neben dem Training als Spitzsportler bin ich somit ein Einzelunternehmen und versuche meine Aufgaben bestmöglich zu erfüllen.

Und zum Schluss: Was könnte die LVL (noch) besser machen?

Aktuell erachte ich es als entscheidend, dass wir wieder näher zusammenrücken. Die Streitereien müssen aufhören, sodass wir uns gegenseitig unterstützen können. Es wird grundsätzlich viel zu fest in der eigenen Trainingsgruppe gedacht, anstatt die Synergien im Verein zu nutzen.

Erst auf diesem Fundament kann eine motivierende Trainingsumgebung geschaffen werden, sodass sich neue Talente entwickeln können.

Danke Adrian für Deine Offenheit und danke, dass Du Dich bereits mit einem Krafttraining für die Runners am Mittwoch Abend engagierst. Wir wünschen Dir viel Freude und Erfolg im Aufbau und in der kommenden Saison! 

(Interview, 24.10.2021, sam)

Interview Ädu 2021 Run I Interview Ädu 2021 Zieleinlauf